Integrale: Grundidee und Definition

Nach der Untersuchung des Verhaltens von Funktionen im Kleinen, der Differenzialrechnung, richten wir den Blick auf das große Ganze, die Fläche unter dem Funktionsgraphen. Willkommen bei der Integralrechnung.

Die anschauliche, geometrische Bedeutung des Integrals (so es denn existiert)

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einer Funktion f von a (der unteren Integrationsgrenze) bis b (der oberen Integrationsgrenze) ist der Flächeninhalt unter dem Graphen der Funktion im Intervall [a, b].

Die Definition von Flächeninhalten krummlinig berandeter Flächen stellt man sich am Besten als Dreisprung vor:

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Einfacher Baustein
Man startet von sicherem Terrain. Der Flächeninhalt eines Rechtecks ist das Produkt seiner Seitenlängen.
Summe
Um darauf aufzubauen, nähert man die Funktion durch (stückweise konstante) Treppenfunktionen an. Den Flächeninhalt unter dem Graphen einer Treppenfunktion kann man als Summe von Rechteckflächen leicht berechnen, und erhält so eine Näherung des gesuchten Flächeninhalts.
Grenzwert
Durch immer bessere Näherung, immer mehr, immer schmalere Treppenstufen, erhält man im Grenzwert (unendlich vieler verschwindend kleiner Einzelbeiträge) den Flächeninhalt unter dem Graphen der Funktion

Der mathematische Aufwand, diese Schritte zu präzisieren, ist (für uns zu) hoch und bleibt den Mathematikern überlassen. Die Vorteile nutzend, die Diebstahl gegenüber ehrlicher Arbeit hat (selbst das Zitat ist geklaut), fassen wir deren Arbeit zusammen und halten fest:

Definition und Satz

Jede stetige Funktion

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ist integrierbar, das heißt das Integral

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existiert und stellt den gewichteten Flächeninhalt unter dem Graphen der Funktion dar.

Beachte: Integrale berechnen den gewichteten Flächeninhalt, das heißt Beiträge unterhalb der x-Achse zählen negativ.

Mit den stetigen Funktionen haben wir bereits einen erfreulich großen Vorrat an integrierbaren Funktionen. Darüber hinaus können auch nichtstetige Funktionen integrierbar sein. Zum Beispiel Funktionen mit endlich vielen Sprungstellen endlicher Höhe.

Wir kümmern uns als nächstes darum, warum Integrale, also Grenzwerte von Summen, in den Anwendungen wichtig sind und wie man sie berechnet. Neugierige können zuvor noch einen kurzen Blick in die mathematische Werkstatt werfen, in der die Herren Riemann und Lebesgue bei der Arbeit sind.

Arbeit für die Mathematiker

Was ist zu tun?
  • Existiert der Grenzwert überhaupt und ist er unabhängig von den Einzelheiten der Unterteilung, der Wahl der Treppenfunktionen?
  • Für welche Funktionen und Integrationsbereiche?
  • Welche Regeln gelten für den Umgang mit Integralen?
Wie wird es getan?
  • Herr Riemann hantiert ganz klassisch mit den aus der Schule bekannten Unter- und Obersummen.
  • Herr Lebesque, ein Moderner, unterteilt dagegen die Funktionswerte auf der y-Achse und summiert die Maße der x-Bereiche auf, die zu den verschiedenen Funktionswerten gehören.
Was kommt raus?
  • Die beiden Herren stimmen zwar nicht in jedem Einzelfall überein, ob eine Funktion über einem Intervall integriebar ist, aber fast immer. Dann erhalten sie auch den gleichen Wert für das Integral.

    Technischen Anwendungen, die darauf beruhen, dass eine Funktion Lebesgue- aber nicht Riemann-integrierbar ist, sollte man – zurückhaltend formuliert – mit einer gehörigen Portion Skepsis begegnen.

  • Herr Lebesgue hat schönere Regeln für den Umgang mit seinen Integralen, musste vorher aber auch härter arbeiten. Er kennt nicht nur die üblichen Regeln, wie zum Beispiel die Substitutionsregel, sondern darf auch Grenzprozesse vertauschen. Physiker durften das schon immer (Warum soll ich das nicht dürfen???).